Politische_Oekonomie
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Störung der Einheit von Politik und Ökonomie

 

Politik bezeichnet eine Gesamtheit von Tätigkeiten des „Ordnens“ der Tätigkeiten, Mittel und Bedingungen, mit denen das Zusammenleben einer Gemeinschaft von Gesellschaften, dessen Reproduktion, gegenwärtig gesichert wird und künftig gesichert werden soll. Es sind die Tätigkeiten der von Verfügungsmächtigen der Gesellschaften Beauftragten, welche dafür von Verfügungsmächtigen Verfügungsmacht über Mittel und Bedingungen (zeitweilig) übertragen bekommen.

 

Politik ist abhängig von der Reproduktion der Mittel und Bedingungen des Lebens, des Zusammenlebens, die auch als Ökonomie verstanden und bezeichnet wird, und ist abhängig vom herrschenden Verständnis dazu. Politische Ökonomie bezeichnet also die Gesamtheit aller Tätigkeiten, Mittel und Bedingungen, mit denen die Reproduktion des Lebens, des Zusammenlebens gesichert wird und damit auch die der Tätigkeiten, Mittel und Bedingungen, mit denen deren Reproduktion „geordnet“ wird.

 

Die Störung dieser Einheit Politisch Ökonomie ist feststellbar in mannigfach erscheinenden Gegensätzen zwischen Gesellschaften einer Gemeinschaft und zwischen Gemeinschaften. Ihr Zusammenleben ist gestört, die Reproduktion der Gesellschaften ist nicht mehr sicher. Ihre gesellschaftlichen Verhältnisse geraten immer mehr in einen Gegensatz zur Art und Weise der Reproduktion der Mittel und Bedingungen des Lebens, des Zusammenlebens. Politik erscheint nicht nur immer weniger als Bestandteil von Politischer Ökonomie. Sondern herrschende Verständnis erklärt, Politik sei von Ökonomie „unabhängig“ („Das Primat hat die Politik.“). Lediglich, und zwar jeweils zu Krisenzeiten räumt dieses Verständnis ein, bestimmte Krisenfolgen und deren Ursache, habe Politik nicht beherrscht. Was mit diesem herrschenden Verständnis zum Ausdruck kommt, ist sein Widerspruch zu den Erkenntnissen der Politischen Ökonomie.

 

Folge dieses Widerspruchs ist hilfloses Reagieren der Politik auf die das Zusammenleben gefährdenden Krisenfolgen. Politik müsse mit „Finanztransaktionssteuer“, „Finanzaktivitätssteuer“, „Finanzstabilitätsabgabe“, „Bankenregulierung“, „Finanzmarktregulierung“, „Bankenabgabe“, „Verbot von Leerkäufen“ und anderem mehr regulierend eingreifen. Doch damit werden weder solche Krisen verhindert noch eine Einheit von Politik und Ökonomie erreicht. Denn das diese Einheit widersprechende herrschende Verständnis ist ideologisch geprägt: Politik müsse „Rahmenbedingungen“ schaffen für einen „freien Markt“. „Rahmenbedingungen“ gewährleisteten einerseits, dass durch den “freien Markt öffentlicher Wohlstand gesichert wird“, aber andererseits auch, dass „Exzesse des freien Marktes verhindert werden“. Allenfalls müssten „Rahmenbedingungen reformiert“ werden. Im Übrigen sei „klar, welche fünf Reformen dringend notwendig sind, um künftig Krisen zu vermeiden.

  1. Bändigt die Banken!
  2. Mehr Eigenkapital!
  3. Einen TÜV für Finanzprodukte!
  4. Bewacht die Hedgefonds!
  5. Kontrolliert die Rating-Agenturen!“ (auch im DER SPIEGEL 25/2010)

 

Doch wenn damit künftig Krisen verhindert werden könnten, wären also „ungebändigte Banken, zu geringes Eigenkapital, fehlender TÜV für Finanzprodukte, unbewachte Hedgefonds und unkontrollierte Rating-Agenturen“ die maßgeblichen Ursachen von Krisen. Weil es aber solche Krisen schon seit Jahrhunderten gibt, bleibt dann bereits die Frage unbeantwortet, warum bisher alle „Reformen“ zu ihrer Verhinderung nicht durchgeführt oder mit ihnen Krisen nicht verhindert wurden.

 

Dass diese Frage öffentlich nicht gestellt, geschweige denn beantwortet wird, ist bedingt durch die das herrschenden Verständnis prägende Ideologie von dem jetzigen „politischen System“, der bestehenden „Staatsformen“, mit denen zwar Krisen nicht verhindert werden, aber zu denen es keine Alternative gebe.

 

Es ist die Ideologie von Politik und von Ökonomie, vom angeblichen Primat der Politik und von einer Freiheit des Marktes. Doch damit wurden und werden weder Krisen verhindert noch eine Einheit von Politik und Ökonomie erreicht.

 

Der immer deutlicher feststellbare Gegensatz zwischen dieser Ideologie und der tatsächlichen Politischen Ökonomie kommt auch in veröffentlichten Feststellungen und Fragen zum Ausdruck:

 

„Hat die Welt etwas gelernt aus der Finanzkrise? Sind sich Regierungen, Banker und Unternehmer einig über die Ursachen sowie über Ziele und Mittel, um eine Wiederholung zu verhindern? Knapp drei Jahre, nachdem das Desaster mit dem Zusammenbruch des Hypothekenmarktes in den USA begann, ist die Antwort klar und einfach: Nein. Jedenfalls nicht genug. Weder ist eine umfassende globale Regulierung des Finanzsektors in Sicht. Noch ist ein substantieller Abbau der finanziellen Ungleichgewichte in Gang gekommen. Noch ist ein Ausstieg aus der Politik des sehr leichten Geldes in Sicht. Noch ist die Bubble-Ökonomie der vergangenen anderthalb Jahrzehnte beendet worden. Noch gibt es eine Neuorientierung der globalen Währungspolitik. Die Welt macht weiter wie bisher. Deshalb ist diese Krise längst nicht beendet. Im Gegenteil: In der bisherigen Krisenbekämpfung steckt bereits der Kern für die nächsten, womöglich noch viel zerstörerischeren Verwerfungen.“
(SPIEGEL ONLINE vom 28.06.2010 zum Ergebnis des G 20-Gipfels am 27.06.2010)

 

Eine gravierende, nicht aufhaltbare Störung der Politischen Ökonomie des Kapitalismus ist die Auflösung von Ländern, welche sich nicht mehr auf einen (ihren) „Wirtschaftskreislauf“ gründen (können). Die um Profit erweiterte Reproduktion ihres „gesellschaftlichen Gesamtkapitals“ sprengt diesen „Wirtschaftskreislauf“, er wird Teil eines größeren.

 

Die Länder, ihre Erscheinungen, und historisch später diese selbst, verlieren ihr charakteristisches Merkmal, dass ihr „Staat“ nicht mehr (nur) die Beauftragten von verfügungsmächtigen Inländern sind. Größere „Wirtschaftskreisläufe“ bedingen den Zusammenschluss dieser Länder zu größeren Einheiten.

 

Scheinbar kommt das in der Forderung nach „geordneten Staatsinsolvenzen“ zum Ausdruck (DER SPIEGEL 28/2010). Also ein „Insolvenzverfahren für Staaten“, damit ein „Pleite-Land künftig saniert werden kann“. Aber scheinbar nicht nur deshalb, dass dabei nicht zwischen Land und „Staat“ unterschieden wird.

 

Im Insolvenzfall soll einerseits die „Regierung des betreffenden Landes ... nicht mehr uneingeschränkt über die Staatskasse verfügen“ dürfen, doch andererseits sollen fremde Verfügungsberechtigte die „Vermögensinteressen des Pleite-Staates wahren“. Die Forderung nach „geordneten Staatsinsolvenzen“ ist offensichtlich erzwungen durch resultierende Wirkungen veränderter „Wirtschaftskreisläufe“, von Störungen der Politischen Ökonomie dieser Länder.

 

Dass ein Land „seine Schulden nicht mehr bedienen kann“, ist also nicht Folge hilfloser oder falscher Politik des betreffenden Landes, sondern Folge-Erscheinung einer Störung seiner Politischen Ökonomie, wie die des Gegensatzes zwischen dem „Rechts-Pleite-Staat“ und den resultierenden Wirkungen veränderte „Wirtschaftskreisläufe“.

 

Dieser Gegensatz kann also nicht Folge einer Beauftragung des „Souveräns“ an den „Staat“ sein, Schulden in einem Ausmaß zu machen und dafür mit dem „Souverän“ zu bürgen, die Schulden notfalls mit dem Verkauf der „Souveränität“ zu tilgen. Nicht das Land ist verschuldet, sondern der „Staat“, der deshalb mit einer „geordneten Insolvenz“ aufzulösen ist. (s.a. Störungen der Einheit von Politik und Geld)

 

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