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Kommentar in Verfassungsblog zu:

„Demnächst in Karlsruhe: die EZB vor Gericht" Sa 20 Apr 2013 Daniel Thym und “Eine Krise des europäischen Rechts und auch des Verfassungsrechts”Mo 10 Jun 2013 Ingolf Pernice

Das BVerfG legt aus, wie das Grundgesetz zu verstehen ist. Es ist sein Verständnis, mit dem es als Maßstab beurteilt, ob mit Gesetzen, rechtlichem Handeln „Verfassungsidentität“ gewahrt ist.

 

Der Gerichtshof der Europäischen Union entscheidet im Wege der Vorabentscheidung
a) über die Auslegung der Verträge,
b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union. (aus Artikel 267 AEUV)

 

Für diese Auslegungen gibt es keine Verfassung für die Europäische Union. Die Auslegungen des EuGH haben also keine verfassungsrechtliche Grundlage. Sein Verständnis, mit dem er auslegt, mit dem er (be)urteilt, hat keine verfassungsrechtliche Grundlage.

 

Dass für dieses Auslegen der EuGH zuständig ist – die Kompetenz dafür besitzt – resultiert aus den Verträgen, welche die Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union geschlossen haben. Doch die Mitgliedstaaten konnten mit diesen Verträgen nicht bestimmen, dass der EuGH fähig ist – die Kompetenz dazu besitzt – zu wissen, was die Vertragsschließenden gewollt haben. Sie haben sicher nicht gewollt, dass ihre Vertragsbestimmungen beliebig verstanden werden können.

 

Nun könnten ja die Unterzeichner des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union und der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken aufgefordert werden, öffentlich zu erklären, was sie unter „Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank“ verstanden haben (wollten) und ob die EZB danach gehandelt hat und handelt.

 

Gibt es ein übereinstimmendes Verständnis der Vertragsunterzeichner zu diesem Verbot, was darunter zu verstehen ist, dann muss weder das BVerfG dazu entscheiden noch der EuGH die Verträge „auslegen“. Das gilt auch in dem Fall, dass die Vertragsunterzeichner darin übereinstimmen, dass die EZB nicht nach ihrem Verständnis handelt.

 

Gibt es kein übereinstimmendes Verständnis der Vertragsunter-zeichner zu diesem Verbot, was darunter zu verstehen ist, dann wird weder mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und mit der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken ein wesentliches Element „verfassungsrechtlicher Anforderungen“ unionsrechtlich abgesichert noch können Vertrag und Satzung rechtmäßige Handlungsgrundlage der EZB sein.

 

Es geht also nicht um die Beantwortung rechtlicher Fragen zum EU-Recht, wer mit welchem Verständnis es auslegen müsste.

 

Der Vertragsunterzeichner für die Bundesrepublik Deutschland sollte öffentlich erklären, was er unter „Verbot monetärer Haushaltfinanzierung durch die Europäische Zentralbank “ verstanden haben wollte und will und ob in diesem seinem Verständnis die EZB gehandelt hat oder nicht., erklären, dass ein solches Handeln der EZB nicht „verfassungsrechtlichen Anforderungen“ entspricht, diese Anforderungen nicht „unionsrechtlich abgesichert“ sind.

 

Das BVerfG müsste dann nicht einen willkürlichen Maßstab wählen, sondern als Maßstab sein Verständnis vom Grundgesetz, mit dem es das Verständnis des Vertragsunterzeichners beurteilen kann, ob mit diesem „Verfassungsidentität“ gewahrt worden ist und wird.

 

Das BVerfG kann und muss, sowohl wenn kein übereinstimmendes Verständnis zum „Verbot monetärer Haushaltfinanzierung“ besteht als auch wenn die EZB nicht entsprechend dem Verständnis des Vertragsunterzeichners für die Bundesrepublik Deutschland, erklären, dass Vertrag und Satzung für die EZB und ihr Handeln nicht „verfassungsrechtlichen Anforderungen“ entspricht, diese Anforderungen nicht „unionsrechtlich abgesichert“ sind.

 

Verträge können überprüft werden, ob sie rechtmäßig geschlossen wurden, ob das Vereinbarte nicht rechtswidrig ist. Dritte können nicht – auch nicht mit Recht - das Verständnis der Vertragsschließenden auslegen.

 

Nur die Vertragsschließenden können, gibt es Zweifel am Verstehen des Vertrages, erklären, was sie mit dem Vertrag gewollt haben und wollen, wie ihr Vertrag zu verstehen ist. Mit ihrer Unterschrift dokumentieren die Vertragsunterzeichner, dass sie das Vereinbarte verstehen und erklären können.

 

Interessant ist es schon, dass oft diejenigen, welche Verträge schließen, Gesetze beschließen, ihr Verständnis davon nicht erklären können. Sie überlassen diese einem beliebigen Verstehen. „Sprachbereinigungen“, „Auslegungen“, „Rechtsgutachten“ schüfen Abhilfe.

 

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